Offener Brief an BM Dr. Sophie Karmasin
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Dr. Karmasin!
Die Wirtschaft befindet sich in einem geradezu beneidenswerten Zustand: Sie hat nicht nur das Glück einen Wirtschaftsminister für ihre Belande zu haben, sondern auch eine Familienministerin, die sich intensiv bemüht, die Interessen der Wirtschaft zu fördern.
Als Geschäftsführerin einer großen Familienorganisation, vor allem aber als Mutter und Familienfrau möchte ich einige Anmerkungen machen, die mir schon lange auf dem Herzen liegen.
- Auf die an Sie gerichtete Frage, ob Kinderbetreuung innerhalb und außerhalb der Familie für Sie zwei gleichwertige Modelle sind, antworteten Sie zunächst ausweichend und betonten, dass es Studien gibt, die die frühkindliche familienexterne Betreuung als für die Kinder sehr gute Betreuung im kognitiven, sozialen und Bildungsbereich bestätigen. Auf welche Studie beziehen Sie sich konkret?
Anerkannte Hirn- und Bindungsforscher angefangen von John Bowlby bis Gerald Hüther nennen völlig andere Ergebnisse.
Was Kinder in den ersten Lebensjahren brauchen, ist in erster Linie liebende Bindung und Geborgenheit. Viele Mütter wollen dies den Kindern gern geben.
Wieso ist Ihr konkretes familienpolitisches Ziel, dies zu ändern, anstatt Frauen diese Möglichkeit langfristig zu sichern?
Anerkannte Hirn- und Bindungsforscher angefangen von John Bowlby bis Gerald Hüther nennen völlig andere Ergebnisse.
Was Kinder in den ersten Lebensjahren brauchen, ist in erster Linie liebende Bindung und Geborgenheit. Viele Mütter wollen dies den Kindern gern geben.
Wieso ist Ihr konkretes familienpolitisches Ziel, dies zu ändern, anstatt Frauen diese Möglichkeit langfristig zu sichern?
- Es ist Ihnen ein großes Anliegen die sog. Barcelona-Ziele in Österreich möglichst rasch umzusetzen - langfristig sollen 33 % alles Kinder unter drei Jahren institutionell betreut werden. Abgesehen davon, dass diese Maßnahme in den skandinavischen Vorzeigeländern bei Kindern unter einem Jahr (Schweden) ein absolutes No-Go (!) ist, werden die Barcelona-Ziele in der Diskussion auffallend einseitig zitiert:
Frage: Setzen Sie sich genauso intensiv dafür ein, dass das Pensionsalter auf 65 Jahre angehoben wird, wie es die Barcelona-Ziele fordern?
- Wenn wir Ihre Aussage ernst nehmen dürfen, dass Betreuung innerhalb und außerhalb der Familie in Ihren Augen gleichwertige Modelle von Kinderbetreuung sind, so stellt sich die Frage, warum fraglos und einseitig nur die institutionelle Betreuung gefördert wird? Ein Betreuungsplatz kostet pro Kind und Monat Minimum (!) zwischen 850 und 1200 €. Frauen, die ihre Kinder selbst betreuen möchten, bekommen nichts. Kinderbetreuung wird nur gefördert, wenn die zu betreuenden Kinder nicht die eigenen sind. Warum?
Sehr viele Mütter sind aus wirtschaftlichen Gründen gegen ihren Willen in Lebensmodelle gezwungen, die sie nicht wollen und die ihnen zusätzlich die Realisierung weiterer Kinderwünsche erschweren.
Frustrierender Weise verdienen sie vielfach deutlich weniger, als die externe Betreuung ihrer Kinder in Wirklichkeit kostet.
Frustrierender Weise verdienen sie vielfach deutlich weniger, als die externe Betreuung ihrer Kinder in Wirklichkeit kostet.
- Sie sagten, Sie hoffen, dass das Land Kärnten die 305 Mio € in voller Summe abrufen wird. Institutionelle Kinderbetreuung ist in erster Linie Förderung der Wirtschaft. Familien wünschen sich Anerkennung ihrer Leistungen, die sie für die Gesellschaft erbringen in Form von Erziehung, Betreuung und Pflege (auch der alten Menschen). Eltern wünschen sich vor allem Zeit mit ihren Kindern. Daher ist die Langezeitvariante des Kinderbetreuungsgeldes auch die beliebteste Form. Es ist grotesk, das gerade diese Variante ständig in Frage gestellt wird.
Was, wenn die Mütter das ihnen von außen aufoktroyierte Lebensmodell gar nicht wünschen, sondern eine wertschätzende Anerkennung ihrer Tätigkeit?
Zumindest möchten sie über ihr Lebensmodell selbst entscheiden dürfen.
Randbemerkung: der Katholische Familienverband betreibt in Kärnten in acht Bezirken einen Leih-OMADIENST mit über 200 Damen, die zur stundenweisen Kinderbetreuung vermittelt werden. Diese flexible Form der Kinderbetreuung ist überaus beliebt. Auf Grund der Sparmaßnahmen wurden sämtliche Subventionen des Landes gestrichen (Förderbedarf ca. € 6.000). Auch in diesem Fall ist es mehr als schade, dass eine beliebte Form der Betreuung nun in seiner Existenz gefährdet ist. Gerade auf dem Land tut eine flexible Kinderbetreuung Not und darf nicht in steife Vorlagen gezwungen sein, wenn sie wirklich familienfreundlich sein will. In Kärnten ist das Gegenteil der Fall - die verpflichtende Nachmittagsbetreuung an 5 Tagen bis 16 h kommt einer Entmündigung von Eltern gleich und ist nicht familienfreundlich.
- Immer wieder betonen Sie die angebliche Familienfreundlichkeit Österreichs. Österreich liegt im internationalen Ranking auf Platz 14. Dieses Faktum wird nicht schöner, wenn man ständig öffentlich das Gegenteil behauptet.
Wahr ist, dass es in Österreich so gut wie keine Familienförderung ist. Die sog. "Familienbeihilfe" ist eine Rückzahlung von zuvor zu hoch erhobener Steuer.
- In Österreich wird weder Kindern noch ihren betreuenden Eltern ein steuerfreies Existenzminimum zugestanden. Das ist wahrlich alles andere als familienfreundlich!
Das vielgerühmte Frankreich hat nicht deshalb eine höhere Fertilitätsrate, weil es mehr externe Betreuungsmöglichkeiten gibt, sondern weil es dort ein Familiensteuersplitting gibt, bei dem berücksichtigt wird, wie viele Personen von einem Einkommen leben müssen.
- Die äußerst marginale Erhöhung der Familienbeihilfe immer wieder als einen "Erfolg" darzustellen, ist frustrierend. Während die Pensionisten zumindest eine Interessenvertretung haben, fühlen sich die Familien hier im Stich gelassen. Eine echte Valorisierung ist etwas anderes.
- Das Kinderbetreuungsgeld wurde seit Einführung überhaupt noch n i e angepasst. Dies bedeutet, dass Frauen, die es heute beziehen mehr als 3.800 € weniger erhalten, als Frauen, die es 2002 bezogen.
- Mütter, deren Kinder vor 2005 geboren wurden, erhalten für die Erziehungszeiten keine Beitragsanrechnung. Allein dies ist ein Skandal, dessen sich dringend angenommen gehört. Statt immer von der drohenden Armutsfalle derjenigen Frauen/ Eltern zu sprechen, die ihre Kinder langfristig selbst betreuen möchten und sie in die Erwerbsarbeit zu drängen, wäre es an der Zeit Sorge dafür zu tragen, dass ihre Tätigkeit endlich als das anerkannt wird, was sie ist: eine unerlässlich relevante Leistung für die Gesellschaft. Nur starke Familien gewähren langfristig eine starke Wirtschaft!
All dies sind Themen, von denen sich die Familien dringend wünschen, dass eine Familienministerin sich ihrer annimmt.
Es spricht nichts gegen einen bedarfsorientierten Ausbau von Betreuungseinrichtungen.
Wir fordern zum Wohle des Kinder und auf Basis des Gleichheitsprinzips echte Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung.
Dies bedeutet die Anerkennung und finanzielle Gleichbehandlung der Betreuung innerhalb und außerhalb der Familie.
Die Familienfreundlichkeit eines Landes jedoch in erster Linie daran messen zu wollen, in wie weit es gelingt ureigene Aufgaben der Familie (Erziehung, Betreuung und Pflege) an Institutionen auszulagern, scheint fragwürdig.
Wir fordern zum Wohle des Kinder und auf Basis des Gleichheitsprinzips echte Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung.
Dies bedeutet die Anerkennung und finanzielle Gleichbehandlung der Betreuung innerhalb und außerhalb der Familie.
Sie, Frau Ministerin, sprechen sich für Wahlfreiheit aus. Eine Wahl gibt es nur, wenn mehrere Möglichkeiten gleichberechtigt neben einander stehen.
In der Wahrnehmung dessen, dass die Familien mehr und mehr an Lobby verlieren, trage ich im Namen vieler Familien diese Anliegen vor.
Über eine konkrete Antwort - die wir gern an unsere Mitgliedsfamilien weiterleiten - und vor allem wirksame Maßnahmen zum Wohl der Familien, die sich nicht in der Auslagerung von Familienbelangen an Institutionen belaufen, würden wir alle uns sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Gudrun Kattnig
Donnerstag, 25. Juni 2015